Seit ich diesen Job mache, denke ich immer wieder darüber nach und meine Antwort ist:
Meines Erachtens gibt es hier kein pauschales JA oder NEIN.
In meinen Träumen nach Nähe, die ich hier im Blog auch schon aufgeschrieben hatte, sehnte ich mich immer wieder nach jemandem, der da ist, wenn ich nach Hause komme. Ich sehnte mich nach jemandem, der mich hält. Einfach so. Ohne Erwartungen, ohne Sex. Ich sehnte mich nach jemandem, der mich von zu Hause verabschiedet, wenn ich zu anderen Männern gehe. Doch, ist das realistisch? Kann es das so geben?
Es kommt darauf an:
Der Job als Escort ist in erster Linie ein Job, der für den Lebensunterhalt sorgt. Manchmal bin ich versucht, diese Tätigkeit so zu sehen, wie die Gesellschaft es im Allgemeinen tut und argumentiere aus diesem gesellschaftlichen Dogma heraus, nämlich, dass die Tätigkeit verwerflich ist. Aus dieser Argumentation heraus, ist es ganz klar, dass eine Beziehung mit einer Hure nicht funktionieren kann, da gesellschaftlich nicht anerkannt (wobei es auch hier wiederum verschiedene Auffassungen gibt, die eventuell mit einer "Hierarchie" im Sexgewerbe zu tun haben; aber um das zu beleuchten, benötigt es einen eigenen Artikel mit diesem Thema).
Es kommt also auf den Blickwinkel der Hure an, wie sie ihren Job sieht und es kommt auf den Blickwinkel des potenziellen Partners an, wie er das sieht. Ich würde sagen, wenn es beide nüchtern als Job betrachten und eine emotionale Bewertung weglassen, dann könnte das möglicherweise funktionieren. Fügt einer der beiden eine negative Bewertung hinzu, ist es eher unwahrscheinlich, dass diese Beziehung Bestand hat.
Damen aus meiner Branche verlieben sich und stellen sich vor, wie es wäre, mit ihrem Auserwählten eine Beziehung zu führen.
Alle, die ich bis jetzt kennengelernt habe, haben sich mindestens einmal verliebt. So auch ich. Ich es hier aufgeschrieben. Ziemlich genau ein Jahr ist es her. Seitdem frage ich mich immer wieder, warum wir Mädels uns in unsere Gäste verlieben. Ich kann nur für mich sprechen und komme zu dem Schluss, dass ich möglicherweise Sex mit Nähe verwechselt habe, und das kann nie als Basis für eine Partnerschaft funktionieren. Ein Zusammensein auf Sex aufbauen zu wollen und sich dann einzubilden, dass man durch Sex dauerhaft Nähe und Geborgenheit erfährt, ist kein Fundament für eine gute Beziehung. Nun ist in meiner Sache aber auch noch nicht das letzte Wort gefallen, die Romanze geht weiter und...wer weiss.
Diese Betrachtungsweise, dass Sex mit Nähe verwechselt wird, ist sowieso nicht allgemeingültig, wie eben alles im Leben nicht allgemeingültig ist, denn es gibt sicherlich auch Kolleginnen, die nicht Sex mit Nähe verwechseln und sich trotzdem verlieben.
Auch die andere Seite, dass sich ein Gast verliebt, passiert immer wieder.
Und auch hier kommt es auf die Motivation dahinter an, warum man mit dieser Frau gerne eine Beziehung haben möchte: betrachtet man die Frau und ihren Job recht nüchtern und fühlt sich hingezogen, mit ihr auch ausserhalb des Bettes zusammen sein zu wollen, oder betrachtet man sie aus ihrer Dienstleistung heraus und glaubt eben, dass Sex etwas mit Nähe und Geborgenheit im Sinne einer dauerhaften Partnerschaft zu tun haben?
Eine weitere Frage, die sich mir stellte ist:
Was ist, wenn ein Kumpel meines Partners ein Gast von mir ist? Ich denke mal, dass der Kumpel froh wäre, wenn ich mir nichts anmerken lasse, was ich ja sowieso nicht mache, und mein Partner würde davon natürlich auch nichts mitbekommen - absolute Diskretion gehört zu diesem Job: jeder, der mich jemals besuchte, kann sich darauf verlassen, dass, wenn er mich irgendwo trifft, niemand mitbekommt, dass ich ihn kenne. Und auch in dieser Situation gilt: trennt man den Job strikt vom Privatleben, perlt solch eine Begegnung ab. Vielleicht würde ich in meinem Inneren etwas amüsiert sein, wegen des Zufalls.
Die nächste Frage: Möchte ein Mann mit einer Frau zusammen sein die in ihrem Job schon einige Gäste empfangen hat und weitere empfangen wird?
Der potenzielle Partner weiss ja sowieso von dem Job und hat sich bestenfalls vorher mit den Konsequenzen auseinandergesetzt. Wie sich dann die Beziehung in der "Praxis" entwickelt, wird man sehen. Eine Partnerin, die in einem Job, ausserhalb der Erotikbranche nachgeht, könnte auch aus dem Haus gehen und einen anderen Mann treffen. Dann weiss der Partner es in der Regel allerdings nicht.
Die letzte Frage, die sich mir als Frau stellte:
Vielleicht möchte sich der Partner angesichts meiner Tätigkeit als Hure auch mal ausserhalb der Beziehung vergnügen? Und jetzt muss ich leider passen: ich habe damit tatsächlich Mühe. Das hört sich verrückt an und vielleicht ändert sich das irgendwann mal, aber ich bin ehrlich und gebe zu, dass ich mir das nicht vorstellen kann, eine offene Beziehung zu führen. In Ansätzen habe ich schon so etwas probiert und das war für mich super unangenehm, um es milde auszudrücken.
Und jetzt muss ich echt mal kräftig über mich lachen. Claudia, die konservative Hure also. Das hört sich schon ein wenig nach Doppelmoral an, oder?
Um zu guter Letzt nochmal auf die Eingangsfrage zurückzukommen: es ist eine Frage des Blickwinkels beider Partner, ob eine Beziehung mit einer Hure funktioniert oder nicht. Wie schon erwähnt, ein pauschales JA oder NEIN gibt es hier nicht
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Was meinst du dazu? Rein hypothetisch gefragt: könntest du dir das vorstellen, eine Beziehung mit einer Hure einzugehen? Schreib es gerne in die Kommentare.
Übrigens: Ein weiterer interessanter Artikel zu diesem Thema - aus Sicht eines Gastes geschrieben - wurde bei TheVelvetRooms veröffentlicht.
Claudia Nova
Liebe Claudi, ich kenne dich nicht persönlich, viele deiner Blogs berühren mich aber, so auch dieser. Ich raffe mich auf, nun meine Gedanken dazu zu bündeln. Am Anfang des Blogs sprichst du von deinem Traum nach Nähe und fragst, ob das realistisch sei. Es komme darauf an, schreibst du dann. Haben auch Freier solche Träume, wenn sie nach einem Treffen mit einer Escort wieder alleine zuhause sind? Sicher einige. Ich für mich, der seit einigen Jahren verwitwet ist, sage ja. Escort, die GFE anbieten, sind bereit über den eigentlichen Sex hinaus, auch Zärtlichkeiten auszutauschen, Gespräche zu führen, den Kunden als Mensch wahr zu nehmen. Das führt zu Nähe. Eine Escort hat einmal irgendwo geschrieben, dass GFE eine Liebe auf Zeit…
Ich hatte über Jahre eine Beziehung mit einer Escortdame auf einer privaten Basis. Sie war auch eine Domina. Aber wir haben Beruf und Privat getrennt. Für mich als Mann war dies niemals ein Problem. Denn die Gefühle die wir für einander hatten waren privater Natur und nicht im Paysex wo Mann sich für eine Zeit sich die Aufmerksamkeit einer Frau kauft.